Mietendeckel und Mietenwahnsinn in Deutschland
Die Diskussion um Mieten in Deutschland ist aktueller denn je. Aussagen wie jene von Jan Van Aken aus der Linken, der betont, dass der Kampf für einen Mietendeckel unabhängig von Wahlergebnissen und Regierungsbeteiligung fortgeführt wird, treffen einen Nerv: "Wir brauchen eine klare Ansage an die Vermieter, dass Mieten kein Spekulationsobjekt sein dürfen." Doch wie steht es wirklich um die Mietsituation in Deutschland? Und wie könnte ein Mietendeckel helfen?
Mietsteigerungen und ihr fragwürdiger Mechanismus
Mietwohnungen sind eines der wenigen Güter, die durch Abnutzung scheinbar an Wert gewinnen – zumindest aus Sicht der Mietpreisgestaltung. Während kaum jemand für einen Gebrauchtwagen mehr zahlen würde als für einen Neuwagen, steigen Mieten oft kontinuierlich. Dies kann nicht allein durch Angebot und Nachfrage erklärt werden, denn auch bereits bewohnte Wohnungen, bei denen keinerlei Modernisierungsmaßnahmen erfolgen, werden regelmäßig teurer. Die gesetzlich zulässigen Erhöhungen von 20 Prozent (oder 15 Prozent in angespannten Lagen) innerhalb von drei Jahren spiegeln die Lebensrealitäten vieler Menschen nicht wider. Hinzu kommen Erhöhungen durch Modernisierungen, oft ohne echte Notwendigkeit. Wer über Jahre hinweg in einer Wohnung bleibt, erhält keine Vergünstigungen, selbst wenn der Vermieter nichts investiert.
Steigende Energiekosten als zusätzlicher Faktor
Zu den Mieten kommen die steigenden Energiepreise. Diese liegen nicht nur an geopolitischen Entwicklungen, sondern auch an einer mangelhaften Regulierung. Wohnkosten wachsen schneller als die Einkommen, was vor allem die sogenannte "ehemalige Mitte" belastet. Viele geraten dadurch in eine prekäre Lage, die sie vor wenigen Jahren noch für undenkbar gehalten hätten. Der Anstieg der Nebenkosten ist dabei ein weiterer Treiber. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck forderte 2022: "Die Energiepreise müssen besser abgefedert werden, sonst bleibt Wohnen für viele unbezahlbar."
Ungeregelte Märkte und politische Versäumnisse
Ein großes Problem ist der unregulierte Immobilienmarkt. Ausländische Investitionsgesellschaften können massenhaft Wohnraum kaufen, oft mit undurchsichtigen Strukturen und Steuertricks, um Grunderwerbssteuer zu umgehen. Besonders ärgerlich sind die sogenannten Share Deals, bei denen die Immobilienbesitzer Anteile an Gesellschaften verkaufen, statt die Immobilien selbst zu veräußern. Dadurch entgehen den Kommunen erhebliche Steuereinnahmen. Gleichzeitig treiben Spekulationen die Preise in die Höhe, während für viele Mietwohnungen schlicht unbezahlbar werden. Der ehemalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz merkte dazu an: "Die Steuerschlupflöcher bei Share Deals müssen geschlossen werden. Es kann nicht sein, dass Investoren sich ihrer Verantwortung entziehen." Als Kanzler hat Scholz jedoch bisher keine umfassende Reform zur Regulierung dieses Bereichs auf den Weg gebracht, obwohl die Problematik seit Jahren bekannt ist.
Sozialer Wohnungsbau und fehlende Weitsicht
Die Politik hat die Probleme des Wohnungsmarktes lange ignoriert oder nur halbherzig reagiert. Statt durch gezielten Wohnungsbau das Angebot zu erhöhen, werden durch bürokratische Hürden, langwierige Genehmigungsverfahren und hohe Baukosten die Probleme verschärft. Sozialer Wohnungsbau erreicht oft nicht diejenigen, die ihn am dringendsten brauchen, da die Einkommensgrenzen viel zu niedrig angesetzt sind. Viele Haushalte, die durch die steigenden Mietkosten in finanzielle Schwierigkeiten geraten, haben keinen Zugang zu gefördertem Wohnraum. Zudem hat die Grundsteuerreform, die ab 2025 wirksam wird, für viele Mieter bereits jetzt die Nebenkosten erhöht, da Vermieter diese Kosten umlegen. Der Vorsitzende des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, sagte hierzu: "Die Politik muss den sozialen Wohnungsbau wieder als öffentliche Aufgabe betrachten, sonst verlieren wir noch mehr Menschen an den Wohnungsmarkt."
Perspektiven aus dem Ausland
Zusätzlich sollte der Fokus auf einem nachhaltigen sozialen Wohnungsbau liegen. In anderen Ländern, wie beispielsweise Österreich, gibt es Modelle, bei denen Genossenschaften staatlich unterstützt werden und so langfristig bezahlbarer Wohnraum entsteht. Der Wiener Wohnbau genießt international Anerkennung, weil er nicht nur sozialen Wohnungsbau fördert, sondern auch städtebauliche Qualität sichert. Diese Ansätze könnten auch in Deutschland adaptiert werden, um die Versorgung mit Wohnraum unabhängig von Marktspekulationen sicherzustellen. Dabei müssen jedoch auch steuerliche Fehlanreize beseitigt werden, die aktuell Investitionen in hochpreisige Objekte bevorzugen.
Ein Mietendeckel, wie ihn die Linke fordert, könnte ein erster Schritt sein. Doch ohne weiterreichende Reformen, die den sozialen Wohnungsbau stärken, den Grundstücksmarkt regulieren und Investoren in die Pflicht nehmen, bleibt es bei Symptombekämpfung. Ein grundlegender Wandel erfordert politischen Mut, der bisher selten zu sehen war.