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Ein Fünftel wählt rechts: Wie die AfD unser demokratisches Fundament bedroht

Ein Fünftel wählt rechts: Wie die AfD unser demokratisches Fundament bedroht
Photo by Christian Lue / Unsplash

Die Bundestagswahlen und zahlreiche Landtagswahlen der letzten Jahre offenbaren eine Entwicklung, die tiefgreifende Fragen über den Zustand unserer Demokratie und Gesellschaft aufwerfen. Rund ein Fünftel der Wählerinnen und Wähler entscheidet sich mittlerweile für eine Partei, die offen rechtsextremistische, rassistische und demokratiefeindliche Positionen vertritt: die Alternative für Deutschland (AfD). Teile dieser Partei werden vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft, und dennoch erfährt sie stetigen Zulauf. Was sagt das über unsere Gesellschaft, unsere politische Kultur und die Versäumnisse etablierter Parteien aus?

Die Widersprüche einer rechtsextremen Bewegung

Die AfD stellt sich gerne als "Partei des kleinen Mannes" dar, während sie gleichzeitig über Arbeitslose, Schutzsuchende und Minderheiten herzieht. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" zitiert sie sinngemäß die Bibel, während sie Sozialhilfen kürzen möchte. Ihre wirtschaftspolitischen Ansätze und Forderungen nach Sozialabbau treffen ironischerweise genau die Menschen, die ihre Kernwählerschaft bilden.

Dazu kommt die Führungsriege mit Figuren wie Alice Weidel. Nach eigenen Angaben lebt sie in Überlingen am Bodensee, doch Medienberichte legen nahe, dass ihr Hauptwohnsitz tatsächlich in Einsiedeln in der Schweiz liegt, wo sie gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin Sarah Bossard und zwei Söhnen lebt. Bossard wurde als Kind von einer Schweizer Familie adoptiert und stammt ursprünglich aus Sri Lanka. Diese widersprüchlichen Angaben zum Wohnsitz Weidels werfen Fragen auf – nicht nur zur Transparenz, sondern auch zur politischen Symbolik: Was bedeutet es, wenn eine Kanzlerkandidatin überwiegend außerhalb Deutschlands lebt? Auch wenn dies rechtlich zulässig ist, bleibt die Frage, ob es angesichts ihrer nationalistischen Rhetorik ein "Geschmäckle" hinterlässt. Besonders brisant: Alice Weidel lebt offen in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, während ihre Partei immer wieder LGBTQ-feindliche Positionen einnimmt. Die AfD lehnt die "Ehe für alle" ab, spricht sich gegen Maßnahmen zur Förderung von Akzeptanz aus und sieht traditionelle Familienmodelle als einzig schützenswert. Dies macht Weidels öffentliche Rolle innerhalb der AfD paradox und verstärkt die Bigotterie innerhalb der Partei.

Hinzu kommt die Instrumentalisierung von Themen wie Sicherheit, Gerechtigkeit und Meinungsfreiheit. Die AfD kritisiert vermeintliche Einschränkungen der Redefreiheit, während sie selbst keine Hemmungen zeigt, Andersdenkende zu beleidigen oder einzuschüchtern. "Wir werden sie jagen" sagte Alexander Gauland 2017 – eine Drohung, die bezeichnend ist für die aggressive Rhetorik der Partei.

Die Verantwortung etablierter Parteien

Die Frage, warum eine Partei mit solchen Positionen rund 20 Prozent der Stimmen erhält, wirft unweigerlich ein Schlaglicht auf die Versäumnisse der etablierten Parteien. CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke haben gemeinsam einen Nährboden geschaffen, auf dem die AfD gedeihen konnte:

  1. Soziale Ungleichheit: Der wachsende Abstand zwischen Arm und Reich, prekäre Arbeitsverhältnisse und die Wahrnehmung einer abgehobenen politischen Elite haben bei vielen Menschen zu einem Gefühl der Ohnmacht geführt. Die SPD, einst Sprachrohr der Arbeiterklasse, hat sich mit der Agenda 2010 von ihren traditionellen Wählern entfremdet. "Wir haben den Kontakt verloren" gestand ein ehemaliger SPD-Generalsekretär ein.
  2. Migration und Integration: Die Flüchtlingskrise 2015 und deren Folgen wurden von den etablierten Parteien nicht ausreichend erklärt und begleitet. "Wir schaffen das" sagte Angela Merkel, doch viele fühlten sich allein gelassen und überfordert. Statt proaktiv aufzuklären und Integrationskonzepte zu entwickeln, ließ man Raum für rechte Narrative, die Migration als Bedrohung inszenieren.
  3. Kommunikationsdefizite: Viele Menschen fühlen sich von der Politik nicht gehört. "Es wird über uns, aber nicht mit uns gesprochen" lautet ein verbreitetes Gefühl. Die technokratische Sprache und der Fokus auf Bürokratie statt auf nachvollziehbare Problemlösungen haben das Vertrauen in die Demokratie erodieren lassen.
  4. Ignoranz gegenüber Radikalisierung: Zu lange wurde die AfD als vorübergehendes Protestphänomen abgetan. Erst als sie ihren rechtsextremen Charakter nicht mehr verbergen konnte, begannen Politik und Medien, sie kritisch zu hinterfragen. Doch zu diesem Zeitpunkt war sie längst in Parlamenten etabliert.

Die besorgniserregende Annäherung von CDU und CSU

Im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahlen zeigt sich ein weiteres alarmierendes Phänomen: die schleichende Annäherung von CDU und CSU an Themen und Positionen der AfD. Zahlreiche Äußerungen von Spitzenpolitikern dieser Parteien und Teile ihrer Wahlprogramme legen den Verdacht nahe, dass hier gezielt versucht wird, Wähler aus dem rechten Spektrum zu gewinnen.

"Wer die Grenzen der Redefreiheit auslotet, spielt mit dem Feuer" sagte Friedrich Merz, während er schärfere Asylgesetze forderte, die stark an AfD-Positionen erinnern. Solche Strategien beinhalten erhebliche Risiken:

  • Themenübernahme: Von der Forderung nach strengeren Grenzkontrollen bis hin zu restriktiveren Asylgesetzen – CDU und CSU greifen zunehmend Themen auf, die zuvor primär von der AfD besetzt wurden. "Es darf keinen Wettbewerb darum geben, wer rechts überholt" warnte ein Kommentator der FAZ.
  • Abgrenzung zu SPD und Grünen: Während die Union im Umgang mit der AfD weniger kategorisch auftritt, zieht sie gleichzeitig eine klare Linie gegenüber SPD und Grünen. Diese Polarisierung könnte potenzielle Koalitionen für eine demokratische Regierung nach der Wahl erschweren.
  • Erosion demokratischer Prinzipien: Durch die schrittweise Annäherung an rechte Narrative droht die Glaubwürdigkeit demokratischer Grundwerte ausgehöhlt zu werden.

Die Finanzen der AfD: Unzureichende Kontrolle stärkt die Partei

Die AfD hat in der Vergangenheit durch undurchsichtige Spendenpraktiken Schlagzeilen gemacht, darunter die Annahme illegaler Parteispenden aus dem Ausland. Trotz festgestellter Verstöße und verhängter Strafzahlungen konnte die Partei weiterhin finanzielle Unterstützung erhalten, was auf unzureichende Sanktionen und Kontrollmechanismen hinweist. Die staatliche Parteienfinanzierung trägt zusätzlich dazu bei, dass die AfD weiterhin erheblich von öffentlichen Geldern profitiert. Dieses zögerliche Vorgehen gegen die Partei stärkt sie finanziell und ermöglicht es ihr, ihre Infrastruktur und Wahlkampagnen weiter auszubauen.

Die Gefahr für die Zukunft

Die erstarkende AfD ist nicht nur ein deutsches Phänomen, sondern Teil eines internationalen Trends. Populistische und extremistische Bewegungen gewinnen an Zulauf, weil sie einfache Antworten auf komplexe Probleme bieten und sich geschickt als Anti-Establishment-Kräfte inszenieren. Die Konsequenzen eines möglichen weiteren Machtzuwachses der AfD sind jedoch besorgniserregend:

  • Eine Erosion demokratischer Werte und Institutionen, da die Partei keine Hemmungen zeigt, den Rechtsstaat zu untergraben.
  • Eine Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte durch Hetze und Spaltung.
  • Ein Rückschritt in der internationalen Zusammenarbeit, da die AfD eine nationalistische und isolationistische Agenda verfolgt.

Ein Weckruf an die Gesellschaft

Die Tatsache, dass rund 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler eine rechtsextremistische Partei unterstützen, ist ein Alarmsignal. Es zeigt nicht nur die Schwächen der etablierten Parteien, sondern auch eine Gesellschaft, die sich zunehmend spaltet. Dieser Trend ist nicht unumkehrbar.

Doch die Zeit des Wegsehens ist vorbei. Demokratie braucht Engagement. Sie braucht Bürgerinnen und Bürger, die sich einmischen, Fragen stellen und Verantwortung übernehmen. Sie braucht Politiker, die mutig sind, Visionen entwickeln und die Sorgen der Menschen ernst nehmen.

"Die Demokratie ist nur so stark wie die Menschen, die sie verteidigen" sagte einmal der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. Lassen wir nicht zu, dass Hetze, Populismus und Resignation die Oberhand gewinnen. Stellen wir uns entschieden gegen die Kräfte, die unsere demokratischen Werte gefährden, und gestalten wir gemeinsam eine gerechte, offene und zukunftsfähige Gesellschaft.